Chronische Erkrankungen sind nicht nur eine große Belastung für die einzelnen Menschen, sie stellen heute auch eine der größten gesundheitsökonomischen Herausforderungen dar. In Deutschland sind schätzungsweise 40 Prozent der Bevölkerung chronisch und damit dauerhaft krank.* Die Ursachen sind vielschichtig und reichen von genetischen und physiologischen Faktoren über Umwelteinflüsse bis hin zu ungesunden Lebensgewohnheiten. Auch die demografische Entwicklung einer immer älter werdenden Bevölkerung trägt dazu bei, dass chronische Erkrankungen zunehmen.
Eine besondere Herausforderung stellen chronische Krankheiten dar, die das Herz-Kreislauf-System und/oder den Stoffwechsel betreffen, sogenannte kardiometabolische Erkrankungen. Wir verstehen immer besser, wie kardio-metabolische Erkrankungen wie Diabetes, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammenhängen, sich wechselseitig verstärken und welchen Einfluss Multimorbidität auf die Versorgung hat.
Neben der großen individuellen Belastung, die diese Krankheiten für die einzelnen Menschen bedeuten, haben sie vor allem eine gesellschaftliche Tragweite: Je mehr Menschen chronisch krank sind, d.h. je höher die Prävalenz ist, desto höher sind auch die Krankheitskosten und damit die Belastung der Gesundheitssysteme. Erschwerend kommt hinzu, dass chronische Krankheiten weitere schwerwiegende Folgeerkrankungen nach sich ziehen können. Dies erhöht den Leidens- und Kostendruck um ein Vielfaches.
Daher ist es wichtig, chronische Erkrankungen in Abstimmung mit den Patient:innen frühzeitig und konsequent zu behandeln. Nur so lässt sich ein dauerhafter Therapieerfolg erzielen, der den eingesetzten Ressourcen Rechnung trägt und einer Systemüberlastung entgegenwirkt.
*Stiftung Gesundheitswissen_Zahlen und Fakten: Menschen mit chronischen Erkrankungen Faktenblatt_Menschen mit chronischen Erkrankungen_0.pdf (stiftung-gesundheitswissen.de)
Diabetes mellitus ist ein Oberbegriff für verschiedene Erkrankungen des Stoffwechsels, die zu erhöhten Blutzuckerwerten führen. Die Patient:innen haben einen Mangel am Hormon Insulin bzw. die Insulinwirkung ist vermindert. Medizinisch unterscheidet man verschiedene Diabetesformen – Typ 1 und Typ 2 Diabetes. 2023 lebten in Deutschland 8,9 Millionen Menschen mit diagnostiziertem Typ 2 Diabetes.1
Weitere 32.000 Kinder und Jugendliche sowie 340.000 Erwachsene haben Typ 1 Diabetes. Entsprechend macht Typ 2 Diabetes rund 90 Prozent der Diabeteserkrankungen aus. Hinzu kommt die Anzahl an Menschen, bei denen die Krankheit noch nicht festgestellt wurde. Diese Dunkelziffer ist in den letzten 25 Jahren um etwa ein Drittel gestiegen und liegt aktuell bei mindestens 2 Millionen.2
Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 450.000 Menschen neu an Typ 2 Diabetes. So wird bei gleichbleibender Entwicklung damit gerechnet, dass im Jahr 2040 mehr als 12 Millionen Deutsche an Diabetes Typ 1 oder Typ 2 erkrankt sein werden.2 Die mit Diabetes verbundenen Folgeerkrankungen wie Retinopathien3, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Nierenfunktionsstörungen4 sind sehr ernst zu nehmen. Etwa 21 Prozent aller Todesfälle in Deutschland sind auf Diabetes und seine Folgeerkrankungen zurückzuführen, das Sterberisiko ist für Menschen mit Diabetes um mehr als das 1,5-Fache erhöht.5
Schon heute betragen die direkten Kosten für die Behandlung von Diabetes 21 Milliarden Euro pro Jahr.6 Diabetes kostet die Sozialsysteme und die Volkswirtschaft in Deutschland insgesamt jährlich 35 Milliarden Euro. Das entspricht etwa 10% der Gesamtausgaben im deutschen Gesundheitssystem.7
Referenzen
1. Bundesministerium für Gesundheit: Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 | BMG (bundesgesundheitsministerium.de)
2. Gesundheitsbericht Diabetes 2024: https://www.ddg.info/fileadmin/user_upload/Gesundheitsbericht_2024_Endversion.pdf
3. Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2022. https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/user_upload/Gesundheitsbericht_2022_final.pdf (letzter Zugriff am 10.12.2021)
4. Robert Koch-Institut (2019). Diabetes in Deutschland – Bericht der Nationalen Diabetes-Surveillance 2019. DOI: 10.25646/6284
5. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35294561/
6. Deutsche Diabetes Gesellschaft: https://www.ddg.info/presse/die-diabetes-epidemie-direkte-und-indirekte-gesundheitskosten-gehen-in-die-milliarden
7. Köster I et al. (2013). Häufigkeit und Kosten der Komplikationen und Begleiterkrankungen des Diabetes – Ergebnisse der KoDiM-Studie 2010. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung 2013, Poster PO3–172. DOI: 10.3205/13dkvf240
Adipositas (krankhaftes Übergewicht ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 kg/m²) ist eine schwere chronische Erkrankung. Sie geht einher mit einer großen individuellen Belastung und stellt gleichzeitig auch eine enorme Herausforderung für unser Gesundheitssystem dar. Knapp ein Viertel aller Erwachsenen in Deutschland ist adipös. Insbesondere junge Erwachsene sind vermehrt betroffen.1 Und bereits 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind übergewichtig, 6 Prozent werden als adipös eingestuft.2
Die mit Adipositas verbundenen Folgen sind sehr ernst zu nehmen. Mit zunehmendem Schweregrad der Adipositas steigt die Wahrscheinlichkeit für risikoreiche Folgeerkrankungen wie Typ 2 Diabetes, Depressionen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich an. Nach Angaben der WHO sterben jährlich etwa 1,2 Millionen Menschen an den Folgen von Adipositas.3 Eine Studie der Universität Hamburg schätzt die jährlichen Kosten, die in Deutschland aufgrund von Adipositas entstehen, auf 63 Milliarden Euro. Davon entfallen 33,65 Milliarden auf indirekte Kosten, wie Arbeitsunfähigkeiten oder Frühverrentungen.4 Aktuellen Schätzungen zufolge sind mehr als die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland übergewichtig, etwa jede:r fünfte Volljährige gilt als adipös.5
Es handelt sich bei Adipositas um ein Krankheitsfeld mit einem hohen ungedeckten medizinischen Bedarf und bislang ohne geregelte strukturierte Versorgung. Die aktuelle Entwicklung eines strukturierten Disease-Management-Programms (DMP) für Adipositas ist ein wichtiger Schritt, um die Versorgungsstrukturen und damit die Qualität der Behandlung von Menschen mit Adipositas langfristig zu verbessern.
Referenzen
1. Mensink GBM et al. Bundesgesundheitsbl 2013;56:786–794
2. Kurth BM et al. Bundesgesundheitsbl 2007;50:736–743 DOI 10.1007/s00103-007-0235-5
3. WHO: https://www.who.int/europe/de/news/item/03-05-2022-new-who-report--europe-can-reverse-its-obesity--epidemic
4. Deutsche Adipositas Gesellschaft: https://adipositas-gesellschaft.de/ueber-adipositas/kosten-der-adipositas-in-deutschland/
5. Deutsches Ärzteblatt: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/50524/Jeder-fuenfte-Deutsche-ist-adipoes
Unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) wird eine Vielzahl von Krankheiten des Herzens und der Blutgefäße sowie deren Begleiterscheinungen zusammengefasst. Die am häufigsten auftretenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Bluthochdruck (Hypertonie) und die Koronare Herzkrankheit (KHK).1 So haben 3 von 10 Menschen in Deutschland eine diagnostizierte Hypertonie2 und 4,9 Millionen Menschen leiden an einer KHK.3 KHK können verschiedene Ursachen haben, darunter auch ungesunde Verhaltensweisen wie z.B. übermäßiger Tabak- und Alkoholkonsum. Auch erhöhen Vorerkrankungen wie Diabetes oder Adipositas das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Im Jahr 2019 starben in Deutschland mehr als 300.000 Menschen an Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems.4 Damit ist etwa jeder dritte Todesfall in Deutschland auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen.
Jährlich entstehen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen 46,4 Milliarden Euro direkte Krankheitskosten. Dies entspricht 13,7 Prozent der gesamten direkten Krankheitskosten des deutschen Gesundheitssystems.5
Referenzen
1. Breitkreuz, Schüssel, Brückner, Schröder: Krankheitslastbestimmung mit Prävalenzen und Schweregraden, GWG2021, Jg. 21, Heft 1 (Januar), 24–34
2. Holstiege J, Akmatov MK, Steffen A, Bätzing J. Diagnoseprävalenz der Hypertonie in der vertragsärztlichen Versorgung – aktuelle deutschlandweite Kennzahlen.
3. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Versorgungsatlas-Bericht Nr. 20/01. Berlin 2020. DOI: 10.20364/VA-20.01
4. Breitkreuz, Schüssel, Brückner, Schröder: Krankheitslastbestimmung mit Prävalenzen und Schweregraden, GWG2021, Jg. 21, Heft 1 (Januar), 24–34
5. Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/11/PD21_505_23211.html
1. Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/11/PD21_505_23211.html
2. Gesundheitsbericht Diabetes 2024: https://www.ddg.info/fileadmin/user_upload/Gesundheitsbericht_2024_Endversion.pdf
3. Gesundheitsbericht Diabetes 2024: https://www.ddg.info/fileadmin/user_upload/Gesundheitsbericht_2024_Endversion.pdf
4. Gesundheitsbericht Diabetes 2024: https://www.ddg.info/presse/die-diabetes-epidemie-direkte-und-indirekte-gesundheitskosten-gehen-in-die-milliarden
5. Mensink, G. B. M., Schienkiewitz, A., Haftenberger, M., Lampert, T., Ziese, T., & Scheidt-Nave, C. (2013). Übergewicht und Adipositas in Deutschland: Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 56(5–6), 786–794. https://doi.org/10.1007/s00103-012-1656-3
6. Handelsblatt berichtet WHO Bericht: https://www.handelsblatt.com/technik/medizin/uebergewicht-diese-regionen-sind-bis-2035-am-staerksten-vonadipositas-betroffen/29355358.html
7. Deutsche Adipositas Gesellschaft: https://adipositas-gesellschaft.de/ueber-adipositas/kosten-der-adipositas-in-deutschland/
8. Holstiege J, Akmatov MK, Steffen A, Bätzing J. Diagnoseprävalenz der Hypertonie in der vertragsärztlichen Versorgung – aktuelle deutschlandweite Kennzahlen.
9. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Versorgungsatlas-Bericht Nr. 20/01. Berlin 2020. DOI: 10.20364/VA-20.01
10. Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Krankheitskosten/Tabellen/krankheitsklassen-geschlecht.html
11. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Wie krank sind wir wirklich? – Erstmals liegen verlässliche Daten zu Mehrfacherkrankungen im Alter vor (gesundheitsforschung-bmbf.de)
Chronische Erkrankungen breiten sich weiter aus – viele Expert:innen sprechen sogar von einer Pandemie, die sowohl auf individueller als auch volkswirtschaftlicher Ebene eine der zentralen Herausforderungen unserer Gesellschaft darstellt.1
Werden chronische Erkrankungen zu spät diagnostiziert und behandelt,
Es entstehen
Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, der Ausbreitung chronischer Erkrankungen wirkungsvoll zu begegnen – durch Aufklärung, zielgerichtete Präventionsmaßnahmen, frühe Diagnose und effektive Therapiemöglichkeiten. Hierbei nimmt die Behandlung derjenigen, die bereits chronisch erkrankt sind, eine Schlüsselrolle ein, um weitere Folgekrankheiten und damit auch Kosten zu vermeiden.
Besonders die kardio-metabolischen Erkrankungen Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weit verbreitet und können sich gegenseitig bedingen und verstärken.
Mit Chronisch besser versorgt möchten wir den öffentlichen Diskurs zu chronischen Erkrankungen stärken und aktiv an gesundheitspolitischen Lösungsansätzen arbeiten, um die Versorgung von Menschen mit schweren chronischen Erkrankungen zu verbessern.
Referenzen
1. Gesundheitsbericht Diabetes 2024: https://www.ddg.info/fileadmin/user_upload/Gesundheitsbericht_2024_Endversion.pdf
2. Stiftung Gesundheitswissen: Immer mehr Menschen mit chronischen Erkrankungen über Jahrzehnte beeinträchtigt (stiftung-gesundheitswissen.de)
3. RKI Journal of Health Monitoring: Journal of Health Monitoring, 3/2021, GEDA 2019/2020-EHIS (rki.de)
4. Deutsche Adipositas Gesellschaft: Kosten der Adipositas in Deutschland – Adipositas Gesellschaft (adipositas-gesellschaft.de)
5. Köster I et al. (2013). Häufigkeit und Kosten der Komplikationen und Begleiterkrankungen des Diabetes – Ergebnisse der KoDiM-Studie 2010. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung 2013, Poster PO3–172.DOI: 10.3205/13dkvf240